Experimental Ecology | PLANKTON IMAGINARY
PLANKTON IMAGINARY
Die Erde scheint in unserer galaktischen Nachbarschaft ein seltener Planet zu sein. Sie ist einer der wenigen Planeten, auf der es organisches Leben zu geben scheint. Aber was braucht es, damit ein Planet überhaupt geeignet ist, organisches Leben hervorzubringen?
Zunächst braucht es eine Sonne der richtigen Grösse, um die sich dieser Planet drehen kann. Der Abstand vom Planeten zur Sonne ist ebenfalls kritisch für neu entstehendes Leben, denn es darf weder zu kalt noch zu heiss sein. Der Planet muss genau so viel Sonnenenergie empfangen, dass Wasser in seiner flüssigen Form auf ihm vorkommt, um das Leben zu benetzen.
Ein Mond ist nützlich als Schutzschild, da er das Leben vor regelmässig einschlagenden Asteroiden schützt. Eine entstehende Atmosphäre ist dasjenige Medium, welches das Leben vor übermässiger Sonneneinstrahlung schützt.
Die perfekte Wiege für kohlenstoffbasiertes Leben verfügt über häufig vorkommenden Kohlenstoff in bioverfügbarer Form, und besitzt einen Ozean voll Wasser, einem Lösungsmittel, in welchem sich organische Moleküle bilden können. Kohlenstoff, welcher vom Leben in Biomasse umgewandelt wird, sinkt nach und nach auf den Meeresgrund und häuft sich in den Sedimenten an, und wird über Millionen von Jahren zu fossilem Brennstoff und schlussendlich zu Gestein gepresst. Durch Verwitterungsprozesse und Vulkanismus gelangt dieser Kohlenstoff wieder in die Atmosphäre, und der Kreis des Lebens beginnt von Neuem.
Des Meeres.
Das offene Meer.
Durchsichtig.
Durchscheinend.
Losgelöst.
Nichts ist verborgen.
Ein gallertartiger Körper.
Pulsierend.
Pochend.
Treibend.
Unser Leben ist perfekt ans Leben unter Wasser angepasst. Viele von uns marinen Lebewesen sind durchsichtig. Transparenz ist häufig in aquatischen Lebensformen, findet sich jedoch selten in terrestrischen Ökosystemen.
Wir leben als Teil des Elementes, welches uns umgibt. Innen und aussen sind relativ. Ein Versuch zu verstehen, was es bedeutet, wässrig zu sein, zu leben und zu empfinden wie Wasser in Wasser. Den eigenen Horizont zu erweitern und Systeme zu erleben, die nicht in Gegensätzen formuliert sind. Was bedeutet es, sich das Leben aus einer flüssigen Perspektive heraus zu vergegenwärtigen?
Transparenz ist ein Vorteil in flüssigen Umgebungen, da das Wasser Licht absorbiert und bricht, und damit Farben verzerrt und verschluckt. Farbe ist somit nur in seichten küstennahen Umgebungen wie zum Beispiel Korallenriffen, zur Übermittlung von Bedeutung geeignet.
Der Grossteil des Ozeans ist allerdings dunkel und das einzige Mittel zur Beleuchtung von Farbe ist die Biolumineszenz, das ureigene Licht der Tiefseekreaturen. Offene Gewässer sind homogen und unstrukturiert, ohne Zufluchtsorte, wo sich die Beute vom Räuber verstecken kann. Unsichtbar zu sein erhöht also die Überlebenschancen, Transparenz ist der optimale Tarnanzug in diesem Medium.
Ich bin weiblich, ich bin männlich, ich bin beides.
Ich übersteige die Grenzen Eurer Vorstellungskraft.
Hunderte von Millionen von Jahren
an evolutionärer Geschichte
trotzen Euren Rollen und Stereotypen.
Wie können so viele aquatische Spezies in so einer homogenen Umwelt koexistieren, wie können so wenige Ressourcen eine so grosse Artenvielfalt aufrechterhalten? Manche sagen, es ist, weil marine Ökosysteme immer in Bewegung sind, weil sie sich dynamisch ändern und ständig entwickeln. Gemäss dieser Theorie sind Ökosysteme im ewigen Fluss, ständig dabei, neue ökologische Nischen zur Besiedlung zu kreieren, und alte zu zerstören, den vorherrschenden Umweltbedingungen folgend. Andere hingegen denken, dass die grosse Artenvielfalt durch biologische Prozesse unterhalten wird, wie zum Beispiel die Auswahl bestimmter Lebewesen durch ihre Fressfeinde, welche bevorzugt der häufigsten Beute nachstellen. Und wieder eine Theorie besagt, dass die Artenvielfalt durch die Vielfalt von Lebensstilen in ökologischen Gemeinschaften ermöglicht wird, durch Interaktionen der Lebewesen miteinander oder mit Parasiten oder Symbionten.
Wir erweitern die Grenzen des Möglichen über das binäre Identitätsmodell hinaus. Wir erforschen fluide, komplexe und sich wandelnde Identitäten, die sich dem Wandel der Umweltbedingungen anpassen. Vielfalt ist in unseren planktonischen Systemen von grösster Bedeutung. Zusammenarbeit ist zentral und Unterschiede sind notwendig, damit jeder Organismus seine einzigartige Nische finden kann. Wir leben und gedeihen in Symbiosen. Statt der unergründlichen Andersartigkeit unserer Zeitgenossen zu misstrauen, feiern wir unsere Unterschiede. Wir entwickeln queere Identitäten und Prozesse weitab der normativen Zweiteilung.
Ich bin ich, ich bin viele.
Ich bin eine kollektive Kraft,
eine Kolonie der Winzlinge.
In Zeiten der Not,
setzen wir auf Zusammenarbeit,
aufs Teilen
von Nahrung und Schutz.
Mein klebriger Kleister, kitzelt Deine Zehen,
während Du über meinen Strand spazierst.
Ich bin weder Pflanze noch Tier.
Manche sagen, dass ich beides bin.
Ich ernähre mich von der Sonne.
Paddle im Wasser mit meinen zwei Geisseln.
In nährstoffreichen Gewässern.
Manche meiner Art sind gefährlich.
Aber meine Biolumineszenz zieht Dich in meinen Bann.
Ein berührendes, kollektives Leuchten.
Wir sind einige der frühsten Organismen, welche sich auf diesem Planeten entwickelt haben. Wir sind nicht alle gleichzeitig entstanden, aber einige unserer Arten gibt es schon seit über 3.5 Milliarden Jahren.
Da es uns schon sehr lange gibt, waren wir schon einer Vielfalt an unterschiedlichen Klimabedingungen ausgesetzt. Durch sich zyklisch wiederholende Temperaturveränderungen, sich verändernde Kohlendioxidkonzentrationen, haben wir uns dynamisch an die Zustände auf der Erde angepasst.
So erfanden wir die Photosynthese als unseren intrinsischen Pfad zum Überleben. Im Laufe der Zeit produzierten wir all den Sauerstoff, der heute die irdische Atmosphäre erfüllt, und schufen somit die Gelegenheit für andere Organismen, sich ebenfalls auf ihren evolutionären Pfad zu begeben. Wir hatten nahezu unendlich viel Zeit, uns perfekt an die sich ständig im Wandel begriffene Umwelt anzupassen. Diese dynamische Transformation wurde nicht gestoppt, seit der Mensch sein Debut in der Erdgeschichte gab.
Obwohl die menschliche Existenz auf diesem Planeten von relativ geringer Bedeutung ist, hat dies den Menschen nicht davon abgehalten, einen verheerenden Einfluss auf die Umweltsysteme zu nehmen. Menschliche Handlungen haben den Lauf der Erdgeschichte beeinflusst, aber vor allem hat sich der Mensch durch seine Handlungen selbst in Gefahr gebracht. Wir haben die Fähigkeit, die menschliche Störung auszusitzen. Das Leben auf diesem Planeten, inklusive des unseren, dreht sich weiter, unabhängig davon, ob der Menschen existiert, um es zu beobachten. Die menschengemachte Klimakrise ist nur eine winzige Kräuselung im Ozean der Erdgeschichte. Der Mensch ist ein unbedeutendes, vorübergehendes Phänomen. Würde die Geschichte unserer Erde auf einen Tag zusammengestaucht, so würde der Mensch nurmehr in den letzten Sekunden der letzten Minuten vor Mitternacht auf der Bühne der Weltgeschichte erscheinen.